Die Coradia Stream sind vom französischen Eisenbahnhersteller Alstom für den Regionalverkehr konstruierte und hergestellte Niederflurtriebzüge. Die ersten Bestellungen für Züge dieser Baureihe erteilten die niederländische Eisenbahngesellschaft Nederlandse Spoorwegen (NS) und die italienische Eisenbahngesellschaft Trenitalia.[1][2][3] Mehrere Unternehmen bestellten die Doppelstockvariante Coradia Stream HC (HC für High Capacity; deutsch: „hohe Kapazität“).[4]
Bei den Coradia Stream handelt es sich um für den europäischen Markt entwickelte elektrische Niederflurtriebzüge für den Regional- und Intercity-Verkehr.
Die einstöckige Variante mit Jakobs-Drehgestellen unterscheidet sich von den Vorgängerbauarten des Typs Coradia Polyvalent unter anderem durch längere Wagenkästen und eine andere Frontgestaltung.
Im Rahmen eines 2022 geschlossenen Rahmenabkommens genießt Knorr-Bremse bis 2025 eine „bedingte Exklusivität“ als Systemausrüster der Coradia-Stream-Züge mit Brems- und Türsystemen sowie Klimaanlagen.[5]
Die Nederlandse Spoorwegen bestellte im Juli 2016 79 Einheiten der Baureihe Coradia Stream. Die sogenannten „Intercity Nieuwe Generatie“-Züge sollen mit einer Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h auf der Strecke Amsterdam–Rotterdam–Breda und im Korridor Den Haag–Eindhoven fahren. Eine Aufnahme des kommerziellen Betriebes war für 2021 geplant, wurde jedoch auf Dezember 2023 verschoben.[6] Die Mehrsystemfahrzeuge können mit 25 kV Wechselspannung auf der niederländischen Hochgeschwindigkeitsstrecke und mit 1,5 kV Gleichspannung im konventionellen Netz eingesetzt werden und sind mit Fahrzeugeinrichtungen für die Zugbeeinflussungen ATB und ETCS ausgerüstet.[7]
Im August 2019 wurden weitere 18 Einheiten im Wert von 200 Millionen Euro bestellt. Diese Züge, die als ICNGB (B für Belgien) bezeichnet werden, sind zusätzlich unter 3 kV Gleichspannung einsetzbar.[8] Sie sollen ab 2025 auf der Intercity Direct-Linie nach Brüssel verkehren. Bereits im Jahr 2017 waren zwei so ausgerüstete Einheiten bestellt worden, die für Tests und das Zulassungsverfahren in Belgien vorgesehen sind. Die achtteiligen Einheiten sind 165 Meter lang und können gekuppelt werden, sodass sie eine höhere Kapazität als die derzeit eingesetzte Kombination aus einer Bombardier-Traxx-Lokomotive und sieben Personenwagen bieten können. Die ICNGB sind zusätzlich für die belgischen Zugbeeinflussung TBL 1+ ausgerüstet und verfügen über einen größeren Gepäckraum sowie eine zusätzliche Toilette.[9][10]
Ein fünfteiliger ICNG besitzt eine rollstuhlgerechte Toilette, die achtteiligen zwei. Beide sind mit dem Bordinformationssystem OBIS ausgestattet und in drei Bereiche eingeteilt: Eine Ruhe-, eine Arbeits- sowie eine Gesprächszone. In beiden Wagenklassen gibt es kostenloses Wi-Fi und sowohl Netzsteckdosen als auch USB-Buchsen.[11]
An der Produktion der Züge für die Niederlande sind das Waggonwerk Alstom Konstal in Chorzów (bei Katowice) und Salzgitter beteiligt.[12][13][14] Im Mai 2020 erreichte der erste ICNG die Niederlande.[15] Im Juni 2020 wurde in den Niederlanden mit Probefahrten begonnen.[16] Der erste achtteilige Zug für Belgien wurde im Juni 2021 zum Depot Forest/Vorst überführt, von wo Testfahrten begannen.[10][16]
Trenitalia erteilte Alstom im August 2016 einen Rahmenauftrag zur Lieferung von 150 Coradia-Einheiten für den Betrieb in verschiedenen italienischen Regionen. Die Coradia Stream werden von der italienischen Eisenbahngesellschaft „Pop“ genannt. Sie sind modular konstruiert und damit einfacher an verschiedene Bedürfnisse anpassbar. Diese Lösung wird an verschiedene Konfigurationen und Kapazitätsanforderungen für den Regional- und Nahverkehr angepasst. Die einzelnen Regionen bestellen Kontingente, die über den Rahmenauftrag abgerufen werden. Insgesamt wurden so über 180 Triebzüge in dreiteiliger oder vierteiliger Ausführung bestellt.[17]
Im Juni 2019 wurden die ersten drei von insgesamt 47 Zügen für den Einsatz in der Region Emilia-Romagna in Dienst gestellt.
Im August 2021 gab Alstom bekannt, einen Rahmenvertrag über die Lieferung von weiteren 150 Coradia Stream-Regionalzügen an Trenitalia im Gesamtwert von rund 910 Millionen Euro erhalten zu haben.
Alle Coradia Stream für Trenitalia sind einstöckige, elektrische Triebzüge für 3 kV mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h und werden in Savigliano, Sesto San Giovanni und Bologna gefertigt.[18]
Die Ferrovie Nord Milano (FNM) erteilte Alstom im November 2019 einen Rahmenauftrag zur Lieferung von maximal 61 Coradia-Einheiten. In der ersten Charge werden 31 Regionalverkehrstreibzüge im Wert von 194 Mio. Euro für die Region Lombardei geliefert. Die Züge werden ab 2022 schrittweise ausgeliefert.[19]
Alstom gab am 15. April 2021 eine Bestellung von 20 weiteren Regionalzügen für den Einsatz in der Lombardei bekannt. Dies ist die zweite Bestellung innerhalb des Rahmenvertrags von November 2019. Die Fahrzeuge sollen ab Juni 2023 ausgeliefert werden. Die FNM bezeichnet ihre Triebzüge nach dem Komponisten Gaetano Donizetti als “Donizetti”.[20][21]
Die staatliche luxemburgische Eisenbahngesellschaft Société Nationale des Chemins de Fer Luxembourgeois (CFL) und Alstom schlossen im Dezember 2018 den Vertrag zur Lieferung von 34 teilweise doppelstöckigen Einheiten des Typs Coradia Stream HC. Die Züge werden in drei- und sechsteiliger Ausführung ab Dezember 2021 geliefert und haben jeweils einen beziehungsweise zwei einstöckige Zwischenwagen, in welchen technische Komponenten untergebracht werden. Die 80 Meter langen Dreiteiler der Baureihe 2400 bieten 334 Sitzplätze, die 160 Meter langen Sechsteiler der Baureihe 2450 dagegen 692. Die Coradia HC-Triebzüge sollen grenzüberschreitend nach Frankreich und Belgien eingesetzt werden. Die Triebzugeinheiten mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h wurden in Valenciennes in Frankreich entworfen und werden im spanischen Barcelona gefertigt. Alstom-Standorte in Deutschland, Italien, Belgien und Frankreich fungieren als Zulieferer für Komponenten.[4][22]
Die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) bestellte im Februar 2021 34 Triebzüge vom Typ Coradia Stream HC für das Expresskreuz Bremen/Niedersachsen, die ab 2024 in Betrieb gehen sollen. Die Triebzüge bestehen aus zwei doppelstöckigen Endwagen und zwei einstöckigen Mittelwagen. Sie nutzen das Lichtraumprofil DE3 vollständig aus und bieten so mehr Platz im Oberstock. Zusätzlich zu den Triebzügen wurden 18 weitere Mittelwagen bestellt, mit denen ab 2028 die vierteiligen Einheiten teilweise um zwei Mittelwagen erweitert werden sollen. Alstom wurde außerdem mit der Unterhaltung der Fahrzeuge über 30 Jahre beauftragt. Im Jahr 2024 sollen zunächst 33 Triebzüge in Betrieb gehen. Der 34. Triebzug soll zunächst von Alstom genutzt werden, um eine ETCS-Zulassung zu erreichen.[23][24]
Die Danske Statsbaner (DSB) bestellten im April 2021 100 Einheiten des Typs Coradia Stream bei Alstom. Die 109 Meter langen Fünfteiler werden eine Sitzplatzkapazität von 300 Plätzen bieten und eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h erreichen. Die Lieferung der ersten Triebwagen ist ab Ende 2024 geplant, die Lieferung soll 2030 abgeschlossen sein.[25] Der Auftrag umfasst auch die Wartung der Züge, dafür sollen zwei Werkstätten in Aarhus und Kopenhagen errichtet werden.[26][27] Die Coradia-Stream-Fahrzeuge sollen die Triebzüge der Baureihen IC3 (DSB MF), IR4 (DSB ER) und IC4 (DSB MG) ersetzen und damit zukünftig das Rückgrat des dänischen Regional- und Fernverkehrs stellen.[25]
Der Rhein-Main-Verkehrsverbund gab am 5. November 2021 bekannt, dass DB Regio das Teilnetz „Main-Weser“ ab 2024 mit 13 vier- und vier fünfteiligen Triebzügen vom Typ Coradia Stream HC betreiben wird.[28] Die Triebzüge bieten 420 bzw. 540 Sitzplätze sowie jeweils 30 Fahrradstellplätze. Die Einstiegshöhe beträgt 600 mm über Schienenoberkante.[29][30][31]
Der Rhein-Main-Verkehrsverbund gab am 11. Februar 2022 bekannt, dass DB Regio das Netz „Kinzigtalbahn“ ab 2025 mit 29 vierteiligen Triebzügen vom Typ Coradia Stream HC betreiben wird.[32]
Die rumänische Eisenbahnreformbehörde (ARF) gab am 4. November 2021 bekannt, 20 sechsteilige Triebzüge vom Typ Coradia Stream mit einer Option auf 20 weiteren Einheiten beschaffen zu wollen. Die Triebzüge können eine Geschwindigkeit von 160 km/h erreichen und sollen unter anderem den Bahnhof București Nord mit weiter entfernten Ziele wie Cluj-Napoca oder Arad verbinden.[33][34] Der Betreiber der Triebzüge ist Stand Juni 2022 noch offen.[35] Am 16. September 2022 gab Alstom bekannt, dass 17 Triebzüge der Option geliefert werden.[36]
Das italienische Unternehmen Ferrotramviaria bestellte am 28. Oktober 2021 bei Alstom fünf Coradia Stream. Die Triebzüge sollen ab Oktober 2022 ausgeliefert werden. Die Triebzüge werden, wie von Trenitalia, als "Pop" bezeichnet.[37][38] Am 20. Juli 2022 gab die Ferrotramviaria bekannt, dass sechs weitere Einheiten geliefert werden.[39]
Die Trasporto Unico Abruzzese (TUA), Betreiber verschiedener Bahnlinien in der italienischen Region Abruzzen, gab am 11. Februar 2022 bekannt, drei 84 Meter lange Coradia Stream bei Alstom bestellt zu haben. Die 160 km/h schnellen Triebzüge sollen ab Ende 2022 eingesetzt werden.[40]
Die Südtiroler Transportstrukturen (STA) haben acht mehrsystemfähige Coradia Stream als Ersatz für sieben nicht zugelassene Bombardier Talent 3 bei Alstom bestellt. Die Sechsteiler sind 128 Meter lang, 160 km/h schnell und verfügen über 10 Türen pro Seite und 381 Sitzplätze.[41]
Das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg teilte am 9. Mai 2022 mit, dass Alstom eine Ausschreibung der Landesanstalt Schienenfahrzeuge Baden-Württemberg über Doppelstockzüge gewonnen hat und 130 Coradia-Stream-HC-Triebzüge liefern wird. Außerdem wird Alstom mit der Unterhaltung der Fahrzeuge über 30 Jahre beauftragt. Der Auftrag hat einen Wert von rund 2,5 Milliarden Euro. Die vierteiligen Einheiten sollen ab Inbetriebnahme von Stuttgart 21 im Dezember 2025 zum Einsatz kommen.[42] Die komplette Flotte soll bis 2027 ausgeliefert sein. Die Züge werden im Hinblick auf den Digitalen Knoten Stuttgart unter anderem mit ETCS Level 2 und 3, halbautomatisierten Fahrbetrieb (ATO GoA 2), optimierten ETCS-Bremskurven (einschließlich Anforderung an das Bremssystem[43]), FRMCS sowie einer Zugvollständigkeitsüberwachung ausgerüstet.[44][45]
Die Triebzüge haben eine Leistung von 5800 kW am Treibradumfang und sollen von 0 auf 160 km/h in 72,5 Sekunden beschleunigen. Die Anfahrbeschleunigung in Einfach- und Doppeltraktion soll dabei bei 1,2 m/s² liegen, die (rein elektrische) Betriebsbremsverzögerung von 160 auf 0 km/h bei 0,9 m/s², von 200 auf 0 bei 0,75 m/s².[44]
Alstom gab am 2. September 2022 bekannt, einen Vertrag im Wert von 177 Mio. Euro über die Lieferung von zehn fünfteiligen Triebzügen des Typs Coradia Stream mit der Ferrocarrils de la Generalitat de Cataluny (FGC) abgeschlossen zu haben. Außerdem wird Alstom die Wartung für 15 Jahre übernehmen.[46]
Betreiber | Baureihe | Betreiber-Bezeichnung | Einsatzgebiet | Indienststellung | Fahrzeugnummern | Anzahl | Option | Teile | Länge (m) | Sitzplätze | vmax | Fußbodenhöhe | Stromsysteme |
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NS | 3000 | ICNG | Hochgeschwindigkeitsstrecke und IC | Ende 2022 | 3101–3149 | 49 | 5 | 110 | 256 | 200 km/h | 810 mm | 1500 V = 25 kV, 50 Hz ~ | |
3201–3230 | 30 | 8 | 165 | 417 | |||||||||
Intercity Amsterdam – Brüssel | 2025 | 3301–3320 | 20 | 8 | 165 | 417 | 1500 V = 25 kV, 50 Hz ~ 3000 V = | ||||||
Trenitalia | ETR 103 | POP | 2019 | 216 | 3 | 65,7 | 239 | 160 km/h | 3000 V = | ||||
ETR 104 | 4 | 84,2 | 321 | ||||||||||
FNM | ETR 104 | Donizetti | 2022 | 31 | 4 | 84,2 | 160 km/h | 3000 V = | |||||
2023 | 20 | ||||||||||||
FT | POP | Regionalverkehr Bari–Barletta | 2022 | 05 | 4 | 160 km/h | 3000 V = | ||||||
06 | |||||||||||||
CFL | 2400 | 2021 | 2401–2422 | 22 | 3 | 82 | 160 km/h | 1500 V = 3000 V = 25 kV, 50 Hz ~ | |||||
2450 | 2451–2462 | 12 | 6 | 160 | |||||||||
DSB | ES[47] | IC5[48] | 2024 | 100 | 5 | 109,4 | 200 km/h | 620 mm[49] | 25 kV, 50 Hz ~ | ||||
offen (LNVG) |
Expresskreuz Bremen/Niedersachsen | 2024 | 34 | 41 | 760/780 mm | 15 kV, 16,7 Hz ~ | |||||||
DB | RMV Teilnetz Main-Weser | 2024 | 13 | 4 | 104,6 | 420 | 160 km/h | 600 mm | 15 kV, 16,7 Hz ~ | ||||
04 | 5 | 131,4 | 540 | ||||||||||
Kinzigtalbahn | 2025 | 23 | 4 | 104,6 | |||||||||
01 | 5 | 131,4 | |||||||||||
05 | 6 | ||||||||||||
offen (ARF) |
37 | 3 | 6 | 160 | 160 km/h | 25 kV, 50 Hz ~ | |||||||
TUA | POP 2.0 | Region Abruzzen | 2022 | 03 | 84 | 160 km/h | 3000 V = | ||||||
STA | 08 | 6 | 128 | 160 km/h | 15 kV, 16,7 Hz ~ 25 kV, 50 Hz ~ 3000 V = | ||||||||
offen (SFBW) |
Strecken um Stuttgart[44] | 2025 | 130[44] | 100[44] | 4[44] | 106[44] | 380[44] | 200 km/h[44] | 760 mm[44] | 15 kV, 16,7 Hz ~ | |||
FGC | Flughafen Barcelona-El Prat–Barcelona Zentrum | 10 | 5 | 600 | 120 km/h | 3000 V = | |||||||
Gesamt | 762 | 103 |
Am 16. Oktober 2020 kam es bei einer Überführungsfahrt mit Triebwagen für die Nederlandse Spoorwegen im Bahnhof Dreileben-Drackenstedt auf der Bahnstrecke Braunschweig–Magdeburg zu einem Unfall, bei dem der Triebfahrzeugführer leicht verletzt wurde. Der Zug fuhr an mehreren Halt zeigenden Signalen vorbei und entgleiste, nachdem er über eine Schutzweiche geleitet wurde.[50]
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Coradia A TER |
Dieseltriebwagen in Frankreich, Deutschland und Luxemburg |
Coradia Continental |
Coradia Continental |
Coradia Duplex |
TER 2N 2. Generation • SJ X40 |
Coradia LINT |
LINT 27 (BR 640) • LINT 41 (BR (1)648, 623) • LINT 54 (BR 622) • LINT 81 (BR 620) |
Coradia Meridian |
FS ALe 501 Minuetto • FS ALn 501 Minuetto • ETR.245 • Trenitalia Jazz |
Coradia Nordic |
X60 • X61 • X62 |
Coradia Polyvalent |
Coradia Polyvalent • Coradia Liner |
Coradia Stream |
NS Intercity NG • Trenitalia Pop • CFL 2400/2450 • DSB ES |
Sonstige |
Coradia Juniper • Coradia LIREX • Coradia X3 • Coradia 1000 |