Der SBB RABe 501 ist ein 200 Meter langer elfteiliger Gliederzug der SBB von Stadler Rail. Die SBB bezeichnen die Züge auch als Giruno (abgeleitet aus rätoromanisch girùn für „Bussard“).[2][3] Beim Hersteller heisst der Zug Stadler SMILE (für „Schneller Mehrsystemfähiger Innovativer Leichter Expresszug“, bis 2017 Stadler EC250).[4][5][6]
SBB RABe 501 | |
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![]() Vorstellung 2016 an der Innotrans in Berlin | |
Nummerierung: | RABe 501 001–501 029 |
Anzahl: | 36 (davon 29 im Einsatz) |
Hersteller: | Stadler Rail |
Baujahr(e): | 2017 (Inbetriebnahme) |
Achsformel: | 2’Bo’Bo’2’2’2’2’Bo’Bo’2’2’2’ |
Spurweite: | 1435 mm (Normalspur) |
Länge: | 202’000 mm |
Höhe: | 4’255 mm |
Breite: | 2’900 mm |
Drehgestellachsstand: | 2’750 mm (alle Jakobsdrehgestelle) 2’700 mm (Laufdrehgestelle an der Spitze und am Ende des Zuges) |
Leermasse: | 380 t |
Dienstmasse: | 433 t 2 Stehplätze/m² 454 t 4 Stehplätze/m² |
Höchstgeschwindigkeit: | 250 km/h |
Kurzzeitleistung: | 6000 kW ~, 5400 kW[1]/4800 kW = |
Dauerleistung: | 4720 kW ~, 3920 kW = |
Anfahrzugkraft: | 300 kN |
Raddurchmesser: | 920 mm neu 840 mm abgefahren |
Stromsystem: | 15 kV / 16,7 Hz ~, 25 kV / 50 Hz ~, 3000 V = |
Stromübertragung: | 1450 mm und 1950 mm breite Stromabnehmer |
Anzahl der Fahrmotoren: | 8 |
Sitzplätze: | 422 117 1. Klasse 288 2. Klasse 17 Speisewagen 4 Rollstuhlplätze |
Stehplätze: | 426 |
Fußbodenhöhe: | 567/765 mm Trittstufe 682/880 mm Einstiegsbereich 950 mm Rollstuhlbereich 1080–1200 mm Hochflurbereich |
Niederfluranteil: | 27 %[A 1] (550 mm CH, I, D)
100 % (760 mm D) |
Die SBB hatten im Jahr 2012 unter dem Projektnamen «BeNe» (Beschaffung Neue internationale Züge) insgesamt 29 Züge für den Nord-Süd-Verkehr ausgeschrieben. Die Züge sollten einstöckig und nicht mit Neigetechnik ausgestattet sein, im Unterschied zu den Fahrzeugen des Ost-West-Verkehrs, für den die SBB 2010 den Twindexx Swiss Express bei Bombardier Transportation bestellt hatten. Neben den etablierten Herstellern von Fernverkehrszügen Alstom Transport, Siemens Rail Systems und Patentes Talgo beteiligte sich an der Ausschreibung auch der Schweizer Hersteller Stadler Rail.[7] Stadler baute erfolgreich Regionalzüge, konnte als Fernverkehrsprodukte jedoch nur modifizierte Regionalzüge vorweisen, die nach Österreich und Norwegen geliefert worden waren.[8] Stadler Rail griff bei der Entwicklung des Zuges auf Komponenten der bisherigen Fahrzeugfamilien zurück.[9] Nachdem keiner der Anbieter die erforderlichen Anforderungen erfüllen konnte, wurde eine zweite Ausschreibungsrunde gestartet, bei der sich Siemens nicht mehr beteiligte. Am 9. Mai 2014 wurde bekanntgegeben, dass die SBB für 980 Millionen Franken den Stadler SMILE ausgewählt haben.[10] Ausserdem bestehe eine Option für den Kauf von 92 weiteren Kompositionen.[10] Stadler Rail konnte sich gegen die Konkurrenzangebote von Alstom und Talgo durchsetzen.[8]
Allerdings erhoben beide Wettbewerber Einspruch gegen die Vergabe, weshalb die SBB den Vertrag mit Stadler zunächst nicht unterschreiben durften.[11][12] Zwar zog Alstom seinen Einspruch im September 2014 zurück,[13] doch die Auftragserteilung blieb weiter blockiert, bis das Bundesverwaltungsgericht im Oktober 2014 in einem Zwischenbescheid die Klage seitens Talgo als «weitgehend offensichtlich unbegründet»[14] einstufte und daher die Auftragsvergabe ermöglichte. Talgo hatte moniert, dass das Angebot von Stadler Rail, das teurer als das eigene sei, von den SBB als das wirtschaftlich günstigste angesehen worden war. Dem hielt das Gericht entgegen, dass nicht allein die Anschaffungskosten, sondern auch die künftigen Kosten in die Rechnung einbezogen werden können.[14] Am 30. Oktober 2014 wurden die Verträge zwischen den SBB und Stadler Rail unterzeichnet.[15]
Seit 2015 wird das Projekt bei den SBB unter dem Namen «Giruno» (abgeleitet aus rätoromanisch girùn für «Bussard») geführt.[16]
Das Design des Zuges wurde von Nose Design entwickelt[17] und vom Design Preis Schweiz in der Edition 2017/18 mit dem Design Leadership Prize: Focus Ageing Society ausgezeichnet.[18][19]
An der Innotrans 2016 präsentierte Stadler[20] am 21. September 2016 im Beisein des CEO der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), Andreas Meyer, sowie Peter Spuhler, Group CEO und Eigentümer von Stadler, den neuen Eurocity-Zug Giruno in Form eines fünfteiligen Kurzzuges. Der erste komplett fertiggestellte 11-teilige Zug wurde seit April 2017 erprobt[21] und konnte regelmässig in der Nähe von Stadlers Inbetriebssetzungszentrum in Erlen beobachtet werden. Im Beisein von Bundespräsidentin Doris Leuthard fand am 18. Mai 2017 in Bussnang der feierliche Roll-out statt[22][23]. Um die von den SBB gewünschten Auslandszulassungen zu erhalten, wurde mit mehreren Zügen sowohl im Heimatland wie in den angrenzenden Ländern Italien, Deutschland und Österreich getestet.[24] Um die Zulassungsbedingungen für die Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h zu erfüllen, wurden am 23. Februar 2018 zwischen Hannover und Göttingen[24] sowie über Ostern im Gotthard-Basistunnel Probefahrten mit bis zu 275 km/h (+10 % von 250 km/h) erfolgreich durchgeführt.[25][26]
Am 4. April 2019 erteilte das Bundesamt für Verkehr (BAV) dem neuen Hochgeschwindigkeitszug SMILE von Stadler, von den SBB Giruno genannt, eine Betriebsbewilligung für 200 km/h in Einzeltraktion auf dem Schweizer Netz. Die Genehmigung für Italien in Doppeltraktion erhielt der Zug im März 2020 von der Eisenbahnagentur der Europäischen Union (ERA).[27] Die Zulassung für Deutschland erfolgte im Oktober 2020[28], Österreich sollte im Dezember 2021 folgen[29]. Am 8. Mai 2019 erfolgte die erste kommerzielle Fahrt zwischen Zürich HB und Erstfeld. Seit Mitte Mai 2019 wurde er regelmässig auf einzelnen Strecken eingesetzt, um Betriebserfahrung auf dem Heimatnetz zu sammeln. Zu Beginn erfolgte dieses hauptsächlich von Basel SBB nach Zürich Flughafen und zurück, da die SBB ihre Werkstatt in Basel als Wartungsstützpunkt ausgewählt hat.[30]
Seit Dezember 2019 verkehrt der Zug fahrplanmässig durch den Gotthard-Basistunnel und verbindet Basel/Zürich mit Chiasso bzw. Lugano.[31] Fahrten nach Italien bis Mailand erfolgten seit 12. August 2020, seit September auch in Doppeltraktion. Zu Zielen in Italien über Mailand hinaus, wurden 2020 Testfahrten durchgeführt.[32]
Am 10. Mai 2021 wurde der letzte der 29 Züge von den SBB abgenommen.[33][29]
Die neuen Züge werden seit 2019 in der Schweiz eingesetzt, zuerst zwischen Zürich-Flughafen und Basel, seit Ende 2019 bis Chiasso und seit August 2020 bis nach Mailand.[31][32] Am Gotthard ersetzen die Züge langfristig die Neigezüge der Typen ICN und ETR 610, die auf kurvigen Strecken wie der Jurasüdfusslinie eingesetzt werden.[34] Der Giruno ist auch in Italien, Deutschland und Österreich zugelassen.[10][29]
Im Jahr 2022 fahren die Züge von Basel und Zürich nach Lugano, Mailand und weiter nach Genua, Bologna und Venedig.[35][36][29]
2022 löste die SBB die Option für sieben weitere Züge ein, die bis 2026 geliefert werden sollen. Diese Züge werden für den Ausbau des grenzüberschreitenden Verkehrs nach Deutschland benötigt[37], wo sie ab 2026 auf Hochgeschwindigkeitsstrecken wie der Ausbau- und Neubaustrecke Karlsruhe–Basel mit 250 km/h verkehren sollen.[35] Das Auftragsvolumen beträgt etwa 250 Mio. Schweizer Franken.[38]
Der Giruno verfügt über Multifunktions- und Fahrradabteile. Rollstuhlfahrerplätze und die behindertengerechten WCs sind in beiden Wagenklassen zu finden. Die übrigen Toilettenbereiche gliedern sich in je drei Kabinen: ein Unisex-WC, ein für Damen vorbehaltenes WC sowie eine Pissoir-Kabine.[39] Der Giruno verfügt über WLAN, Steckdosen an allen Sitzen, große Gepäckablagen und ein Beleuchtungskonzept mit LED-Lampen.[29]
Die Flotte sollte laut ursprünglicher Bestellung aus zwei Varianten bestehen: 19 Züge mit Speisewagen (Typ 1) und 10 Züge ohne Speisewagen, dafür mit einem zusätzlichen Zweitklasswagen (Typ 2). Anfang 2015 haben die SBB beschlossen, alle 29 Züge mit Speisewagen zu bestellen, so dass es keine Unterschiede innerhalb der Flotte gibt.[16] Die Wagen sind mit Jakobsdrehgestellen verbunden.[9]
Der Giruno verfügt auf jeder Seite über zwei Einstiege auf 550 mm (Bahnsteighöhe in der Schweiz, in Italien, in Österreich und teilweise in Deutschland), jeweils an den Wagen vor und nach dem Speisewagen. Zusätzlich befindet sich in Wagenmitte aller Wagen auf jeder Seite ein Einstieg auf 760 mm (Fernverkehrsbahnsteighöhe in Deutschland).[40][41]
Bedingt durch die niedrige Einstiegshöhe verfügen die Wagen über kein einheitliches Bodenniveau: An beiden Wagenenden, über den Drehgestellen, sind die Sitzplätze auf Podesten angeordnet. Der Mittelgang steigt zum Wagenübergang hin mit Rampen an.
Im Gegensatz zu den bisherigen EuroCity-Reisezugwagen der SBB verfügt der Giruno in beiden Wagenklassen auch über Sitze in Reihenbestuhlung. Diese Sitze verfügen über Klapptische am Vordersitz.[42] Die Mehrzahl der Sitze ist jedoch weiterhin vis-à-vis angeordnet. In der 2. Klasse verfügen bei den Vis-à-vis-Sitzgruppen nur die Fensterplätze über Tische, in der 1. Klasse gibt es je Sitzgruppe einen grossen gemeinsamen Tisch.
Am 8. August 2019 wurde als erster Zug der 501 003 in Bellinzona auf den Namen San Gottardo getauft.[43]
Am 31. August 2019 wurde der erste Zug mit einem Kantonswappen versehen. Der 501 007 erhielt in Erstfeld das Wappen des Kanton Uri.[44] Am 26. September 2019 wurde 501 011 auf den Namen Thurgau getauft.[45] Am 23. November 2019 wurde 501 009 auf «Zürich» getauft.[46] Am 15. Dezember 2019 wurde 501 008 auf den Namen Ceneri 2020 getauft und wirbt damit für die Eröffnung des Ceneri-Basistunnels.[47] Am 12. Juni 2021 erhielt der 501 001 das Wappen des Kantons Tessin, es war die erste Taufe nach einen anderthalbjährigen Unterbruch aufgrund der COVID-19-Pandemie.[33] Am 29. August 2021 wurde der 501 015 in Rapperswil auf den Namen Kanton St. Gallen getauft.[48] Nachdem der 501 008 das Werbedesign für den Ceneri-Basistunnel verloren hatte, erhielt er das Wappen der Gemeinde Monteceneri.[49]
Die restlichen Züge sollen die Namen Ceneri, Simplon und die Namen der 26 Kantone erhalten. Entgegen der früheren Absicht werden die Kantonswappen nicht gemäss den Nummern der Ae 6/6 vergeben, sondern nach der Verfügbarkeit der Fahrzeuge.[46] Die Wappen werden unter den Seitenfenstern der Führerkabinen sowie im Speisewagen angebracht.[50]
RABe 501 001 | ![]() | Ticino | RABe 501 011 | ![]() | Kanton Thurgau | RABe 501 021 | ||||
RABe 501 002 | RABe 501 012 | RABe 501 022 | ||||||||
RABe 501 003 | San Gottardo | RABe 501 013 | ![]() | Kanton Zug | RABe 501 023 | |||||
RABe 501 004 | RABe 501 014 | RABe 501 024 | ||||||||
RABe 501 005 | RABe 501 015 | ![]() | Kanton St. Gallen | RABe 501 025 | ||||||
RABe 501 006 | RABe 501 016 | RABe 501 026 | ![]() | Kanton Basel-Stadt | ||||||
RABe 501 007 | ![]() | Kanton Uri | RABe 501 017 | RABe 501 027 | ||||||
RABe 501 008 | ![]() | Monteceneri | RABe 501 018 | RABe 501 028 | ||||||
RABe 501 009 | ![]() | Kanton Zürich | RABe 501 019 | RABe 501 029 | ||||||
RABe 501 010 | RABe 501 020 | ![]() | Kanton Luzern |
Stadler Rail bezeichnet den SMILE als „weltweit ersten einstöckigen Niederflur-Hochgeschwindigkeitszug“,[9] dies bezieht sich aber lediglich auf die Möglichkeit eines stufenfreien Einstiegs an den Norm-Perronhöhen im Einsatzgebiet (55 cm und 76 cm über Schienenoberkante). Hingegen existieren bereits niederflurige Hochgeschwindigkeitszüge (z. B. Talgo 250 und 350) mit einer durchgängigen Fussbodenhöhe von 760 mm. Im Unterschied zu diesen sind beim SMILE Rampen oder Treppen zu überwinden, um auf die Fussbodenhöhe von 940 mm beziehungsweise 1200 mm (über den Drehgestellen) zu kommen.
Anfang 2020 wurde berichtet, dass die Lärmdämmung in den Fahrzeugen unzureichend ist. Es heißt, dass der Giruno viel lauter ist als andere europäische Hochgeschwindigkeitszüge wie der ICE in Deutschland, der TGV in Frankreich oder der Frecciarossa und Italo in Italien. Ein Grund dafür ist, dass sich die Einstiege in der Wagenmitte befinden, so dass der Fahrgastraum nicht immer durch eine weitere Innentür von den Wagentüren getrennt ist – anders als bei herkömmlichen Zügen.[51][52] Im Laufe des Jahres 2020 sollten Nachbesserungen durch den Hersteller erfolgen.[53]
Der Zug hatte Kinderkrankheiten und Anlaufschwierigkeiten, die sich in Fehlfunktionen der verschiedenen Systeme, wie z. B. der Außentüren, der Bugklappe oder des Steuerungssystems, manifestierten. Diese führten dann auch zu einigen Ausfällen.[29][51][52] Die Zuverlässigkeit der Züge lag 2019 und 2020 unter der von der SBB erwarteten Marke.[54]
Es gibt getrennte Toiletten für Männer und Frauen. Die Gänge sind relativ schmal. In der 1. Klasse gibt es Sitzplätze mit Tischen zum Arbeiten. Pro Bahn Schweiz kritisiert die Anzahl der Fahrradabstellplätze sowie die Lichtverhältnisse im Fahrgastraum, die als zu hell empfunden werden. Beanstandet werden auch unbequeme Sitze und ein zu lautes akustisches Signal beim Öffnen der Tür.[51][52]