Die norwegischen Baureihen NSB Type 74–Type 76 basieren auf dem Stadler Flirt (Eigenschreibweise FLIRT für «flinker leichter innovativer Regional-Triebzug»). Es sind vom schweizerischen Eisenbahnhersteller Stadler Rail für den Regional- und S-Bahn-Verkehr konstruierte elektrische Niederflurtriebzüge. Seit der dritten Generation werden die Flirt auch mit dieselelektrischem und Zweikraftantrieb angeboten. Inzwischen erfolgt der Einsatz nicht nur im Regionalverkehr und der Hersteller erklärt FLIRT mit «flinker leichter Intercity- und Regional-Triebzug»[1].
Im September 2016 wurde der 1000. Zug an den Kunden ausgeliefert, zu diesem Zeitpunkt waren insgesamt 1339 Einheiten in 15 Länder verkauft.[2] Norges Statsbaner und später Norske tog haben insgesamt 150 elektrische Züge bestellt. Der 100. Zug wurde im Juli 2018 ausgeliefert.
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Die Triebzüge waren von Anfang an mit Elektroantrieb erhältlich und werden seit 2012 mit dieselelektrischem Antrieb[3] und seit 2017 auch mit Zweikraftantrieb angeboten, der beide Systeme beinhaltet.[3] Sie bestehen aus zwei bis acht Wagen und werden seit 2016 in zwei Varianten vermarktet: „FLIRT160“ als Version für den Lokal- und Regionalverkehr mit einer Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h[4] und „FLIRT200“, eine Intercity- und Fernverkehrsvariante mit einer Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h.[5] Die Züge können unabhängig davon an unterschiedliche Bedürfnisse angepasst werden.
Die Einheiten laufen teilweise auf Jakobs-Drehgestellen und können in einigen Konfigurationen eine Beschleunigung von bis zu 1,2 m/s² erreichen.[6]
Die Achsfolge Bo’2’2’Bo’ + 2’2’Bo’ ist dadurch zu erklären, dass der motorisierte Mittelwagen mit einem Ende auf einem Jakobsdrehgestellt aufliegt und auf der anderen Seiten ein normales Triebdrehgestell vorhanden ist. So kann der Wagen normal mit dem zweiten Teil des Zuges gekuppelt werden, wobei der folgende Mittelwagen ebenfalls ein normales Drehgestell hat.
Große Teile der Wagen sind niederflurig und genügen damit den allgemeinen Anforderungen an die Zugänglichkeit. Aufgrund der Niederflurlösung befindet sich ein Großteil der technischen Ausrüstung auf dem Dach, wodurch es für Wartungsarbeiten leichter zugänglich ist. Die Züge verbrauchen weniger Energie pro Sitzkilometer als die Vorgänger.[7]
Die Norwegischen Staatsbahnen beschlossen am 18. August 2008, bei Stadler Rail 50 neue Triebzüge des Typs FLIRT für einen Gesamtbetrag von 4 Mrd. NOK zu bestellen.[8][9] Dies ist die größte Investition von NSB in Triebzüge aller Zeiten.[10] Von diesen 50 ersten wurden 24 Einheiten für den Regional- und 26 für den Nahverkehr bestellt, mit der allgemeinen Option von zusätzlichen 100 Zügen.
Im Winter 2009 wurde eine Schweizer FLIRT-Einheit in Norwegen getestet.[11] Es handelte sich um den RABe 521 011-7 „Oberdorf / Weissenstein“, eine in der Region Basel beheimatete Vier-Wagen-Garnitur.
Der Liefertermin für einen Großteil der Zuggarnituren wurde auf 2012 festgelegt[8], da in diesem Jahr der zweigleisige Ausbau der Vestfold- und Askerbane geplant war. Im November 2012 bestellte NSB weitere 16 Einheiten der Type 75 für 1,3 Mrd. NOK.[12] Der letzte von Ihnen wurde am 1. Mai 2015 ausgeliefert. Im Staatsbudget für 2016 stellten NSB zusätzliche Mittel für den Kauf von 26 neuen Triebzügen zur Verfügung, die Bestellungen wurden weiter erhöht. Die 100. Einheit wurde im Sommer 2018 ausgeliefert und dazu weitere 50 wurden bestellt. Die Züge ersetzen teilweise ältere Nahverkehrszüge (NSB Type 69) auf den Strecken Skøyen–Mysen, Stabekk–Moss, Drammen–Dal und der Berufsverkehrslinie Oslo S–Rakkestad.
Im Gegensatz zu älteren norwegischen Zügen basieren die FLIRT-Züge auf Standardkomponenten. Die für Norwegen gelieferten Triebzüge weisen jedoch mehrere Modifikationen auf. So wurde das Design der Frontseite erheblich geändert, um den Triebwagenführer besser vor Kollisionen mit Elchen und losen Gegenständen auf der Strecke zu schützen. Da die norwegischen Bahnstrecken vergleichbar mit Schweden ein breiteres Lichtraumprofil als des übrige europäische Regelspurnetz aufweisen, konnten die Einheiten einige Dezimeter breiter als die üblichen FLIRT ausgeführt werden, was unter anderem eine 3 + 2-Bestuhlung in den Wagen ermöglicht. Die Züge sind ferner mit einem Heizsystem für die Bremsen ausgestattet. Dass alle kritischen Komponenten im Zug eingebaut oder auf dem Dach montiert wurden, ist für den Wintereinsatz von Vorteil.[13]
Die Hauptwerkstatt für die Wartung der FLIRT-Einheiten befindet sich in Sundland in Drammen, kleinere Reparaturen werden in Nylende in Skien durchgeführt.[14]
NSB und Vy haben weiter mehrere Einheiten für die Gjøvikbane, Vossebane und Trønderbane bestellt. Die Züge für die Trønderbane werden als Zweikrafttriebzüge für elektrischen und Dieselbetrieb geliefert.
NSB stellte bei der Bestellung die weltweit strengsten Anforderungen hinsichtlich der Geräuschbelastung. Die Einheiten wurden als leiser Zug eingestuft.[15][16] Die norwegische Vereinigung für Lärm (Støyforeningen) hat die Züge als leise gelobt.[16] Am Støyfri-Tag (lärmfrei-Tag) 2015 wurden NSB für ihr Engagement mit diesen Zügen mit dem Ehrenpreis des Vereins ausgezeichnet.[17]
Die Verwendung von Signalhörnern ist für Anwohner an den Strecken sehr störend.[18] Die EU-Richtlinie fordert für die Hörner eine Lautstärke von 120 dBA direkt vor dem Zug. Dies entspricht der Ohrschmerzgrenze.[19] Die Signalhörner werden vor ungesicherten Bahnübergängen entlang der Bahnstrecken verwendet. Es wird kontinuierlich daran gearbeitet, diese Bahnübergänge zu entfernen. Bei neuen Strecken werden ungesicherte Bahnübergänge vermieden.
Ursprünglich war geplant, ältere Triebzugeinheiten aus dem Verkehr zu ziehen, sobald die neuen Züge in Betrieb genommen wurden.[20] Dies ist jedoch vom aktuellen Verkehrsaufkommen abhängig, so dass die älteren Fahrzeuge noch länger benötigt werden.[21]
Die Triebzüge der Type 74 sind die Regionalzugvariante und wurden zuerst ausgeliefert. Diese wurden anfangs in Ostnorwegen im InterCity-Verkehr eingesetzt. Sie bedienen die Regionalzuglinien R11 Skien–Eidsvoll und R10 Drammen–Lillehammer und ersetzten die Einheiten des Typs 70. Die Einheiten der Type 74 haben gegenüber denen der Type 70 14 % mehr Sitzplätze und benötigen 20 % weniger Leistung, obwohl sie 8 % schwerer sind.[7][22]
Der erste Triebzug der Type 74 wurde am 8. September 2010 fertiggestellt[23] und zum ersten Mal während der InnoTrans[24] Ende des Monats in Berlin gezeigt. 2011 begannen die Testfahrten.
Ein schwerer Unfall während der Probefahrt in Vestfold am 15. Februar 2012 führte zu einer leichten Verzögerung der Probefahrten. Die Triebzugeinheit 74-05 stieß auf einer Strecke mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h mit einer Geschwindigkeit von 135 km/h gegen eine Felswand. Nachdem festgestellt wurde, dass die zu hohe Geschwindigkeit die Unfallursache war, konnten NSB die Züge weiter testen. Der Zug 74-05 wurden so beschädigt, dass er nicht repariert werden konnte.[25][26][27] Der Triebzug wurde nicht offiziell von den NSB übernommen, sondern als Ersatzteilspender verwendet.[28]
Der erste Zug wurde am 2. Mai 2012 in Dienst gestellt.[29] Im August 2016 wurden der Triebzug 74-37 (Einheit 36) in den Betriebsdienst übernommen.[28] Weitere vier Fahrzeuge, die in Polen produziert wurden, wurden 2017 bestellt und 2020 ausgeliefert. 2018 wurde nochmals 13 Einheiten bestellt.[28]
Die NSB wurden für die schmalen Sitze im Zug kritisiert,[30] obwohl sie ½ cm breiter sind als bei der NSB Type 72. Daher wurde beschlossen, die 3 + 2-Bestuhlung durch breitere Sitze mit einer 2 + 2-Bestuhlung zu ersetzen.
Die Wagen sind wie folgt nummeriert: BMa 74.1xx (Ruhebereich) – BPa 74.2xx – BCMU 74.3xx – BPb 74.4xx – BMb 74.5xx (Komfortbereich – 44 Sitze erste Klasse); (BM = Motorwagen zweite Klasse, 1 Führerstand; BCMU = Motorwagen zweite Klasse, Mittelwagen mit Behindertentoilette; BP = Mittelwagen zweite Klasse mit Toilette)[31]
Die EVN-Nummer für diese Züge ist 0401.
Die Triebzüge der Type 75 sind die Lokalzugvariante, die auf den längeren Strecken mit der 3 + 2-Bestuhlung durchgehend eingesetzt werden: L12 Kongsberg–Eidsvoll, L13 Drammen–Dal, L14 Asker–Kongsvinger, L21 Stabekk–Moss und L22 Skøyen–Mysen. Der erste Triebzug wurde ab dem 2. Dezember 2012 eingesetzt. Am 22. November 2019 wurde die 77. Einheit in Ostnorwegen dem Betriebsdienst übergeben.[32] Von den im August 2017 bestellten Einheiten wurden 75-78 und 75-79 Ende 2019 und 75-80 bis 75-83 im 1. Quartal 2020 geliefert.[32]
Die Wagen sind wie folgt nummeriert: BMa 75.1xx – BPa 75.2xx – BCMU 75.3xx – BPb 75.4xx – BMb 75.5xx; (BM = Motorwagen zweite Klasse mit Führerstand; BCMU = Motorwagen zweite Klasse, Mittelwagen mit Behindertentoilette; BP = Mittelwagen zweite Klasse mit Toilette)[33]
20 Einheiten für die Gjøvik- und Vossebane haben eine etwas andere Sitzanordnung (3 + 2-Bestuhlung) und werden als Type 75-2 bezeichnet. Sie haben die Betriebsnummern 75-52 bis 75-71 und wurden im Zeitraum vom 7. September 2017 bis 8. Februar 2019 abgenommen.[32][34] Um die Züge auf der Gjøvikbane betreiben zu können, wurde in Gjøvik ein neuer Umformer installiert, da die Leistung des bisher eingesetzten in Lunner für den Betrieb nicht ausreichte. Mit dem neuen Umformer kann zudem die gesamte Strecke im Bedarfsfall vom übrigen Netz getrennt werden.[35][36]
Die EVN-Nummer für diese Züge ist 0402.[37]
Die Einheiten der Type 76 sind die Lokalverkehrsvariante für Trøndelag, die auf Streckenabschnitten mit und ohne Oberleitung verkehren können. Die Züge sind zweikraftfähig und haben einen zusätzlichen Wagen mit einem Dieselgenerator, der bei Bedarf den Strom für den Antrieb erzeugt. Bei Stadler wurden im Dezember 2018 insgesamt 14 Einheiten bestellt.[38] Diese sind für die Trønder-, Meråker- und Rørosbane vorgesehen und ersetzen alle Dieseltriebzüge des Typs 92.[39][40] Die beiden ersten Züge sollen 2021 geliefert werden.[41]
Für Probefahrten traf die erste Einheit Ende November und die zweite Einheit im Dezember 2020 in der Werkstatt in Skien ein, die bis zur Fertigstellung des neuen Betriebswerkes in Støren für den Unterhalt zuständig ist. Eine zeitweise Beheimatung in Marienborg in Trondheim wird in Erwägung gezogen. Alle anderen 12 Triebzüge in SJ-Lackierung wurden 2021 ausgeliefert.[42][43] Der erste Zug wurde von Verkehrsminister Knut Arild Hareide am 31. August 2021 in Trondheim offiziell dem Betrieb übergeben.
Die Zugreihung ist wie folgt konfiguriert: BMa – BPa – BC – Xde – BPb – BMb; (BM = Motorwagen zweite Klasse mit Führerstand; BC = Mittelwagen mit Behindertentoilette, Xde = Xd = dieseldrevet lastetraktor, e = elektrisk entspricht Mittelwagen mit Dieselgenerator und einem Batteriesatz für kurze Rangierfahrten;[44] BP = Mittelwagen zweite Klasse mit Toilette)